Krankenhäuser in Bayern – den Wandel gemeinsam gestalten
Die Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention, Judith Gerlach, MdL, hat am 24. Oktober 2024 vor dem Bayerischen Landtag ihre Regierungserklärung zum Thema Krankenhausreform „Krankenhäuser in Bayern – den Wandel gemeinsam gestalten“ gehalten.
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herausforderungen im Krankenhausbereich
Ängste und Bedürfnisse der Menschen ernst nehmen
3. Künftig vorzuhaltende Leistungsangebote
6. Politische Rückendeckung für Verantwortliche
7. Keine Rückforderung von Fördermitteln bei Nutzungsänderungen
Hervorragende bayerische Strukturen nicht gefährden
Reformprozess bisher enttäuschend
Anrufung Vermittlungsausschuss
Herausfordernde Zeiten
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir leben in herausfordernden Zeiten. Manche sagen auch, wir leben im „Dauerkrisenmodus“: Eine Krise jagt die nächste. Corona, Klima, Kriege …
Es ist kein Wunder, dass viele Menschen Angst haben und sich Sorgen machen. Das verstehe ich und das nehme ich sehr ernst.
Wir können diese globalen Herausforderungen nicht einfach aus der Welt schaffen – und schon gar nicht von heute auf morgen. Aber wir sind auch nicht zur Resignation oder Untätigkeit verdammt. Wir haben Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort. Immer. Und die gilt es zu nutzen!
Ich sehe es als Politikerin und Bayerische Staatsministerin als meine Aufgabe an, den Menschen Mut zu machen – und meinen Teil dazu beizutragen, dass sich Dinge in unserem Land zum Besseren verändern. Ganz konkret in dem Bereich, für den ich Verantwortung trage: in Gesundheit, Pflege und Prävention.
Herausforderungen im Krankenhausbereich
Wir alle wissen um die enormen Herausforderungen in unserem Gesundheitswesen. Die Medien sind voll davon. In einem Sektor ist die Lage besonders drängend: den Krankenhäusern. Wir sind uns alle einig: Hier braucht es eine Reform!
Dabei geht es um viel Geld, um Strukturen, um Arbeitsplätze. Vor allem aber geht es um Menschen.
Stellen Sie sich vor: Ihr Sohn bricht sich beim Fußballspielen das Bein. Oder Ihre Oma braucht eine neue Hüfte. Oder Ihr Vater hat einen Schlaganfall. Egal ob entzündeter Blinddarm oder schwerer Verkehrsunfall: Es geht immer um Menschen, um Einzelschicksale. Und mit jedem dieser Menschen sind Angehörige und Freunde verbunden.
Hier braucht es, je nachdem, mal eine Spezialklinik, mal ein Krankenhaus für die Grundversorgung. Das erfordert eine differenzierte Krankenhauslandschaft und eine verlässliche Versorgung in der Fläche. Das müssen wir sicherstellen! Das sind wir den Menschen in unserem Land schuldig! Hier müssen und hier können wir etwas gestalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Freistaat Bayern hat die Krankenhausträger bei dieser anspruchsvollen Aufgabe schon immer aktiv begleitet und unterstützt: Es gibt seit Jahren eine kooperative und zielorientierte Krankenhausplanung. Falls Sie nicht wissen, wo der Krankenhausplan zu finden ist: Er umfasst über 300 Seiten und die jährliche Fortschreibung ist transparent im Internet einzusehen.
Nun sind wir aber in einer Umbruchsituation, die Rahmenbedingungen haben sich erheblich geändert. Deshalb müssen wir auch diese Unterstützung anpassen und intensivieren – im Schulterschluss mit den weiteren Akteuren des Gesundheitswesens. Wir warten damit nicht auf eine Reform aus Berlin, sondern haben die dazu erforderlichen Schritte längst eingeleitet.
Genau darum geht es mir heute: Ich möchte Ihnen aufzeigen, was wir bereits getan haben und wie wir die nächsten Herausforderungen angehen wollen.
Ängste und Bedürfnisse der Menschen ernst nehmen
Warum ist mir das so wichtig? Bayern ist ein Land, in dem es sich gut leben lässt. In allen Regionen. Dazu gehört auch eine flächendeckende, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung.
Wenn ich allerdings mit Menschen vor Ort rede, dann höre ich manchmal, gerade in ländlichen Gebieten: „Zuerst hat der Bäcker dicht gemacht, dann der Metzger. Der Bus fährt nur noch dreimal am Tag.“ Wenn jetzt auch noch das Krankenhaus schließt – dann besteht die Gefahr, dass diese Menschen sich abgehängt fühlen, vergessen, benachteiligt.
Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen dafür sorgen, dass Bayern für die Menschen in allen Regionen lebenswert bleibt.
Denn wenn ich das Gefühl habe, dass niemand meine Ängste und Bedürfnisse sieht und etwas dafür tut, dass es mir besser geht, dann bin ich empfänglicher für Parolen, die mir eine einfache Lösung für komplexe Probleme suggerieren wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Gefahr sehe ich – und nicht nur ich. Deshalb ist es wichtig, entschlossen zu handeln. Und genau das machen wir in Bayern! Es geht darum, den Wandel klug und mutig zu gestalten – und zwar gemeinsam.
Krankenhausversorgung sichern
Bayern ist gut gerüstet
Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt. Bayern ist gut gerüstet, um die drängenden Probleme zu bewältigen und die Gesundheitsversorgung für die bayerischen Bürgerinnen und Bürger auf hohem Niveau zu sichern. Das gilt auch für die Krankenhausversorgung.
Essentiell sind dafür leistungsfähige und gut erreichbare Krankenhäuser für alle! Und die haben wir: Von wohnortnaher Grundversorgung bis hin zu hochspezialisierter Spitzenmedizin verfügt Bayern über eine hervorragende Krankenhauslandschaft – sowohl in der Fläche als auch in Ballungsräumen.
Dank an alle Beteiligten
Darauf können wir alle gemeinsam stolz sein. Ich sage bewusst: gemeinsam. Denn daran sind unzählige Menschen in unserem Land beteiligt.
Ich möchte deshalb von Herzen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den verschiedensten Einrichtungen danken, die sich für die Gesundheitsversorgung in Bayern einsetzen.
Ihr täglicher Dienst für die Menschen, die in Not sind und Hilfe brauchen, ist unendlich wertvoll und verdient unseren größten Respekt! Hierfür im Namen der gesamten bayerischen Staatsregierung meinen aufrichtigen Dank!
Nicht zuletzt hat die erfolgreiche Bewältigung der Corona-Pandemie gezeigt, dass wir gemeinsam in der Lage sind, auch große und bedrohliche Herausforderungen zu meistern. Das macht Mut!
Umstrukturierung notwendig
Nun stehen wir vor weiteren anspruchsvollen Herausforderungen bei der Gesundheitsversorgung: der Reform der Krankenhausstrukturen.
Warum? Seit geraumer Zeit befindet sich die gesamtdeutsche, aber auch die bayerische Krankenhauslandschaft in einem Prozess der Umstrukturierung. Das hat viele Gründe.
Zum Beispiel werden immer mehr Behandlungen ambulant durchgeführt. Und bei stationären Behandlungen bleiben die Menschen immer kürzer im Krankenhaus.
Es wird aber auch immer schwieriger, Menschen für die Arbeit im Gesundheitsbereich zu begeistern und sie dort zu halten. Egal, ob es sich dabei um qualifiziertes ärztliches, pflegerisches oder anderes Personal handelt. Und egal, ob im stationären oder im niedergelassenen Bereich.
Diese veränderten und sich weiter verändernden Rahmenbedingungen werden verstärkt durch die Krankenhausvergütungsreform des Bundes – und machen weitere Anpassungen unumgänglich.
Die damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen sind vielfältig. Und sie stehen in der Verantwortung aller beteiligten Akteure. Es ist deshalb enorm wichtig, dass alle Verantwortlichen an einem Strang ziehen.
Gemeinsam an einem Strang ziehen heißt für mich aber auch: Jeder Beteiligte muss seinen Beitrag leisten, muss seine Hausaufgaben machen. Erlauben Sie mir deshalb ein paar klarstellende Sätze zu dieser Aufgabenverteilung.
Verantwortlichkeiten
- Der Bund ist vor allem für die Regelung der Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser verantwortlich.
- Das Land ist für die Krankenhausplanung und die Finanzierung der Krankenhausinvestitionen zuständig.
- Und die Kommunen, also die Landkreise und kreisfreien Städte, haben die sogenannte Sicherstellungspflicht für die stationäre Versorgung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.
Was heißt Krankenhausplanung in diesem komplexen Zusammenwirken nun aber ganz konkret?
Freistaat
Der Freistaat Bayern betreibt – abgesehen von den Universitätskliniken – keine Krankenhäuser.
Kommunale, freigemeinnützige oder private Krankenhäuser sind auch keine nachgeordneten Behörden des Freistaats, sondern eigenverantwortlich agierende und wirtschaftende Unternehmen.
Der Freistaat kann deshalb weder anordnen, wo welche Krankenhäuser stehen müssen, noch welche Krankenhausleistungen die Häuser jeweils anbieten müssen.
Die Staatsregierung kann auch keinen Träger zwingen, eine unwirtschaftliche Station zu schließen oder weiterzuführen. Ich sage das deshalb so deutlich, weil stellenweise so getan wird, als könne der Freistaat das, als wäre es gar seine Pflicht. Es bleibt dabei: Der Freistaat darf und kann nur im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten tätig werden.
Kommunen
Für die Sicherstellung der benötigten Krankenhausversorgung sind die kreisfreien Städte und Landkreise zuständig – und nicht der Freistaat.
Aber die Staatsregierung unterstützt die Kommunen und die Krankenhausträger im Rahmen des rechtlich Möglichen aktiv bei sämtlichen Zukunftsfragen und Umstrukturierungsmaßnahmen.
Gemeinsam
Gemeinsam, kooperativ und in engem Schulterschluss sorgen wir dafür, dass die qualitativ hochwertige und flächendeckende stationäre Versorgung in Bayern auch zukünftig gewährleistet ist. Dafür steht die Staatsregierung im Rahmen ihrer oben beschriebenen Verantwortlichkeit. Die Wahrnehmung ihrer Verantwortung erwarte ich selbstverständlich auch von den Kommunen.
Hier sind wir in einem ständigen und vertrauensvollen Dialog mit den Beteiligten, für den ich mich ausdrücklich bedanke: bei den Kommunalen Spitzenverbänden, aber auch bei vielen Landrätinnen, Landräten und Oberbürgermeistern, mit denen ich in den letzten Monaten in sehr regem Kontakt gestanden bin, um vor Ort passgenaue und sinnvolle Lösungen für die Zukunft zu finden.
Positive Beispiele
Viele Landkreise haben sich bereits vor einiger Zeit auf den Weg gemacht und Maßnahmen ergriffen, um die Versorgung in ihrer Region anzupassen und zukunftsfest auszugestalten. Das betrifft Regionen quer durch ganz Bayern: zum Beispiel den Landkreis Neu-Ulm und den Landkreis Freyung-Grafenau, oder die Landkreise Mühldorf und Altötting, die landkreisübergreifend gemeinsame Konzepte entwickeln.
In teils durchaus schmerzhaften Prozessen haben diese Kommunen nach einer gründlichen Analyse entschieden, Doppel- oder gar Dreifachvorhaltungen derselben stationären Angebote an mehreren Standorten innerhalb des Landkreises abzubauen.
Das heißt konkret: Konzentrierung an einem Standort und dadurch aber auch, dass dieser Standort dauerhaft gestärkt und in der Versorgungsqualität zum Teil sogar weiter aufgewertet wird.
An manchen Standorten wurden die stationären Leistungen bedarfsgerecht reduziert, aber oft bei gleichzeitigem Ausbau der ambulanten Notfallversorgung.
Vor allem, wenn sich Klinikträger zu größeren Verbünden zusammengeschlossen haben, ist es gelungen, solche Abstimmungen landkreisübergreifend über mehrere Kommunen hinweg vorzunehmen.
Besonders konsequent ist diesen Weg der Konzentration z.B. der Landkreis Main-Spessart gegangen. In einem konstruktiven Dialog wurde entschieden, die stationäre Versorgung für die Region von ehemals drei Standorten in einem zentralen Klinikneubau in Lohr zu konzentrieren.
Hierdurch werden nicht nur unwirtschaftliche Mehrfachvorhaltungen und bestehende Überkapazitäten abgebaut, sondern auch die medizinische Qualität der Versorgung durch stärkere Profilbildung verbessert.
Der Freistaat unterstützt diesen Weg weitreichend mit der Investitionskostenförderung.
Auch in vielen weiteren Regionen machen sich die Kommunen und die Krankenhausträger Gedanken, wie sie die Versorgung durch partnerschaftliche Leistungsabsprachen und Synergieeffekte weiter verbessern können. Und das eben nicht erst seit Bekanntwerden der Berliner Reformpläne.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den bisherigen Weg auch unter geänderten Rahmenbedingungen gemeinsam mit Erfolg weiter beschreiten werden. Konkret:
Wir intensivieren die Abstimmung zwischen den Krankenhäusern und dem Gesundheitsministerium – zum Beispiel, wenn es um neue Versorgungsangebote geht.
Keine Frage: Die vielfältigen Fragestellungen und Probleme werden allen Beteiligten noch mehr Aktivität abverlangen als bisher. Aber das ist auch eine Chance! Eine Chance für bessere und effizientere Strukturen, die modern und leistungsstark für die Zukunft aufgestellt sind.
Mir ist deshalb nicht nur die kooperative und partnerschaftliche Gestaltung der Krankenhausversorgung gemeinsam mit den Kommunen wichtig, sondern vor allem auch die Abstimmung mit den anderen Stakeholdern des Gesundheitswesens – den Menschen, die Tag für Tag für uns im Gesundheitswesen arbeiten!
Maßnahmenpaket
Ich kann Ihnen versichern: Der Freistaat Bayern stellt sich seiner Verantwortung. Und zwar in Kooperation, nicht in Konfrontation mit den anderen Beteiligten. Das unterscheidet uns vom Bund. Wir machen keine Top-down-Vorgaben im Blindflug, sondern setzen auf Lösungen, die gemeinsam in der Region erarbeitet werden.
Und wir warten auch nicht auf Lösungen aus Berlin, sondern handeln selbst. Wir unterstützen und begleiten die Krankenhäuser bei diesem Prozess der Umstrukturierung – und zwar schon seit Monaten.
Diese Unterstützung möchte ich nochmal ausweiten und Strukturen und Leitlinien geben, um mehr Klarheit in den Prozess zu bringen. Der Freistaat wird die Krankenhausträger als starker Partner politisch flankieren!
7-Punkte-Plan
Was heißt das konkret? Mir ist es wichtig, den Anpassungsprozess aktiv zu begleiten. Deswegen habe ich dem Bayerischen Kabinett ein Maßnahmenpaket vorgestellt und der 7-Punkte Plan wurde von der Bayerischen Staatsregierung beschlossen.
Er unterstützt die Verantwortlichen vor Ort bei anstehenden Überlegungen zur Anpassung der gegenwärtigen Krankenhausstrukturen – und zwar mit belastbaren Informationen, mit Leitplanken für künftig vorzuhaltende Angebote und mit der Finanzierung externer Gutachten. Und wenn es zu Umstrukturierungen kommt, leisten wir politische Rückdeckung für die Verantwortlichen und entlasten sie von Rückforderungen geleisteter Fördermittel.
Ich möchte Ihnen die wesentlichen Inhalte kurz etwas näher skizzieren.
1. Bayernweite Datengrundlage
Erstens: Wir stellen eine bayernweite Datengrundlage zu den voraussichtlichen künftigen Leistungsangeboten der einzelnen Krankenhäuser zur Verfügung.
Grundlage aller Umstrukturierungen müssen standortbezogene und bedarfsgerechte Erwägungen sein. Wir wollen den Verantwortlichen vor Ort eine tragfähige und einheitliche Basis für ihre Überlegungen zur Verfügung stellen.
Deshalb haben wir das aktuelle und das künftige medizinische Angebot aller Krankenhäuser und die damit einhergehende Notfallversorgung untersucht.
Wir sorgen so für Klarheit über das, was in den Krankenhäusern künftig angeboten werden kann. Das erleichtert den Trägern die Vorbereitung auf die anstehenden Veränderungen und ermöglicht die Neuausrichtung.
2. Prognose Patientenzahlen
Zweiter Punkt ist ein bayernweites Gutachten zur Prognose der zukünftigen Patientenzahlen:
Wir müssen jetzt für langfristige und zukunftsfeste Strukturen sorgen. Die Krankenhäuser müssen sich auf das zu erwartende Patientenaufkommen einstellen.
Dabei berücksichtigen wir zum Beispiel die Bevölkerungsentwicklung und den Trend zu immer mehr ambulanten Behandlungen.
Es geht mir darum, für die weiteren Überlegungen eine einheitliche Basis zu schaffen für die Träger und ihre weitere Vorgehensweise vor Ort.
Das Gutachten soll den voraussichtlichen Versorgungsbedarf bis zum Jahr 2035 prognostizieren. Denn wir dürfen nicht nur an morgen denken, sondern viel größer, weiter und umfassender!
3. Künftig vorzuhaltende Leistungsangebote
Drittens: Wir haben Leitplanken identifiziert für die künftig vorzuhaltenden Leistungsangebote in besonders wichtigen medizinischen Bereichen.
Krankenhausträger und kommunale Entscheidungsgremien erhalten damit klare Hinweise für ihre Überlegungen. Wir stellen eine bayernweite Matrix zur Verfügung, damit die Träger nach einheitlichen und in allen Landesteilen geltenden Grundsätzen entscheiden können, wo welche Leistungsangebote notwendig sind.
Damit geben wir keineswegs im Detail vor, welches Leistungsangebot in der jeweiligen Region vorzuhalten ist. Es geht uns auch nicht um die planbaren, die sogenannten elektiven Leistungen, bei denen es den Patienten zumutbar ist, auch einmal weitere Wege bis zum nächsten Angebot in Kauf zu nehmen. Niemanden stört es, ein paar Minuten länger zu fahren, um zu einer geplanten Hüft-OP zu kommen.
Aber es geht um zumutbare Erreichbarkeiten bei besonders versorgungsrelevanten Angeboten, die in jedem Fall vorzuhalten sind. Das betrifft die pädiatrischen Angebote, also Kinder- und Jugendmedizin, die Geburtshilfe und die Notfallversorgung.
Gerade wenn es um die Versorgung bei lebensbedrohlichen Erkrankungen geht – also bei „Tracer-Diagnosen“ wie zum Beispiel Herzinfarkt, Schlaganfall oder Polytrauma – dürfen wir keine Abstriche machen. Unsere Leitplanken geben bayernweit einen flächendeckenden Rahmen, wo solche Versorgungsstrukturen weiterhin notwendig sind.
In diesem Zusammenhang haben wir auch vor, den Einsatz von Rettungsmitteln an die geänderten Anforderungen anzupassen.
Hier stimmen wir uns eng mit dem Innenministerium ab, um Maßnahmen zu optimieren.
An dieser Stelle geht mein Dank an Staatsminister Herrmann, mit dem ich in vertrauensvollem Dialog stehe und der uns in seiner Zuständigkeit für das Rettungswesen eng unterstützt.
4. Förderprogramm
Der vierte Punkt betrifft die Finanzierung regionaler Struktur- oder Umsetzungsgutachten.
Zur Flankierung des Umstrukturierungsprozesses stellt der Freistaat Bayern erhebliche zusätzliche Mittel zur Verfügung – insgesamt 100 Millionen Euro in den Jahren 2024 bis 2028.
Um gezielt kleine Kliniken im ländlichen Raum zu unterstützen, finanziert das Gesundheitsministerium den Krankenhausträgern bereits jetzt Gutachten zur regional passenden Ausrichtung ihrer Versorgungsstrukturen.
Im Rahmen der Gutachten werden nicht nur einzelne Häuser, sondern größere Regionen auch unter Einbeziehung der Universitätsklinika berücksichtigt, wenn es sinnvoll erscheint.
Das bedeutet konkret: Wir versetzen die Träger in die Lage, sich die bestmögliche Basis für anstehende Umstrukturierungen in der Region zu verschaffen.
Das Förderprogramm wird bisher sehr gut angenommen. 12 Regionen machen schon von diesem Angebot zur Unterstützung ihrer Planungen Gebrauch.
Es hat sich aber gezeigt, dass der Unterstützungsbedarf der Krankenhäuser überaus vielfältig ist. Wir werden das Förderprogramm gezielt weiterentwickeln – etwa mit Blick auch auf größere Kliniken, die eine maßgebliche Rolle bei der Versorgung des ländlichen Raums übernehmen.
Auch hierzu sind wir in sehr gutem Kontakt mit dem bayerischen Städtetag und dem bayerischen Landkreistag und stimmen unsere Maßnahmen eng ab. Kommunikation und Kooperation mit allen Beteiligten ist mir äußerst wichtig.
Sie alle wissen: Je schwieriger die Situation ist, desto besser und klarer muss die Kommunikation sein. Deshalb wollen wir unser Förderprogramm auch in dieser Hinsicht ausweiten und regionale Konzepte zur Kommunikation und Mediation finanzieren.
Lassen Sie mich die vier Punkte kurz zusammenfassen:
Mit den bayernweiten Datengrundlagen über zukünftige Leistungsangebote, voraussichtliche Patientenzahlen, die Leitplanken zur Grundversorgung und den regionalen Gutachten geben wir eine breite und fundierte Entscheidungsgrundlage für die Krankenhausträger vor Ort. Nutzt man diese Werkzeuge, wird sehr klar, wo die Entwicklung der Krankenhauslandschaft regional hingehen kann.
5. Regionalkonferenzen
Das führt mich zu Punkt 5: Wir werden regionale Dialoge zur Krankenhausstruktur anstoßen und begleiten.
Viele Krankenhausträger haben sich bereits auf den Weg gemacht und etwas verändert. Es gibt aber auch Fälle, in denen diese Umstrukturierungsdialoge noch nicht ausreichend stattgefunden haben.
Hier wird das Gesundheitsministerium aktiv auf Krankenhäuser und kommunale Entscheidungsgremien zugehen und sie zum träger- und einrichtungsübergreifenden Austausch auffordern.
Diese Regionalkonferenzen werden weiterhin freiwillig bleiben, das war den kommunalen Spitzenverbänden sehr wichtig. Aber wir möchten uns als verbindendes Element für die Beteiligten der Region anbieten.
Dabei geht es um Versorgungsgespräche mit allen relevanten Playern vor Ort. Wir bieten auch an, diese Konferenzen durch einen externen Moderator begleiten zu lassen und finanzieren das auch von staatlicher Seite.
6. Politische Rückendeckung für Verantwortliche
Punkt sechs: Das alles geht nur gemeinsam. Deshalb geben wir politische Rückendeckung für die Verantwortlichen vor Ort. Das war vor allem unserem Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder ein wichtiges Anliegen, das seine starke Unterstützung findet.
Umstrukturierungen in einem so sensiblen Bereich wie der Krankenhausversorgung lösen bei den Menschen verständlicherweise häufig Unsicherheit und Sorge aus. Auch wenn eine Entscheidung durch Daten, Gutachten und selbstverständlich auch durch fachliche Expertise des Gesundheitsministeriums unterstützt und eng begleitet wird: Treffen muss die Entscheidung letztlich der jeweilige Krankenhausträger.
Wir möchten über die fachlich-inhaltliche Komponente hinaus den Entscheidungsträgern in besonders gelagerten Fällen auch politische Rückendeckung geben.
Auf Vorschlag der jeweiligen Kommune oder auch auf Vorschlag des Gesundheitsministeriums wird die Staatsregierung die Ergebnisse von Umstrukturierungsüberlegungen im Kabinett bestätigen und auf diese Weise die Verantwortlichen in ihrer getroffenen Entscheidung politisch unterstützen.
Meines Wissens gibt es so etwas bisher nicht und es ist auch ungewöhnlich. Aber besondere Situationen erfordern eben besondere Maßnahmen!
7. Weitreichende Möglichkeiten des Rückforderungsverzichts bei Nutzungsänderungen
Und schließlich Punkt sieben: Hier geht es darum, auf eine Rückforderung von Fördermitteln bei Nutzungsänderungen zu verzichten.
Denn Entscheidungen, wie sinnvolle Versorgungsstrukturen künftig aussehen sollen, dürfen nicht an vermeidbaren finanziellen Hindernissen scheitern. Deswegen prüft das Finanzministerium, ob und gegebenenfalls wie Krankenhausträger noch besser von der Rückforderung von Fördermitteln entlastet werden können.
Hier geht mein Dank an den Kollegen Staatsminister Füracker, mit dem ich in der Frage der notwendigen Flexibilität sehr eng zusammenarbeite.
Es geht dabei um Umstrukturierungen, bei denen früher geförderte Räume und Gebäude einer anderweitigen Nutzung zugeführt werden sollen.
Es gibt bereits jetzt solche Fälle, in denen es keine Rückforderung gibt – zum Beispiel bei sozialstaatlicher Zweckbestimmung im pflegerischen Bereich.
Diese Möglichkeiten wollen wir noch erweitern, zum Beispiel bei einer Nachnutzung zu kommunalen Zwecken.
Entsprechende Überlegungen werden in einem nächsten Schritt intensiv mit den Kommunalen Spitzenverbänden erörtert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich bin davon überzeugt, dass der Freistaat damit alles in seiner Macht stehende tut, um eine zukunftssichere Krankenhausversorgung zu gewährleisten.
Aber klar ist auch, dass wesentliche Rahmenbedingungen für die künftige Gestaltung der bayerischen Krankenhauslandschaft auf Bundesebene gesetzt werden. Das gilt zum einen für die Refinanzierung der Betriebskosten. Das gilt aber auch für die Frage, welche Leistungen die jeweilige Klinik künftig überhaupt noch anbieten kann.
KHVVG
Dass es einer Reform des Gesundheitssystems, allen voran der stationären Strukturen bedarf, liegt auf der Hand. Dementsprechend verweigert sich Bayern diesem Reformbedarf auch nicht. Es geht uns um das „Wie!“
Hervorragende bayerische Strukturen nicht gefährden
Als bayerische Gesundheitsministerin sehe ich mich in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die in Bayern gewachsenen stationären und hervorragend funktionierenden Strukturen nicht durch zentralistische Vorgaben aus Berlin gefährdet werden.
In diesem Sinn hat Bayern – auch unter meinem Vorgänger im Amt Klaus Holetschek – von Beginn an immer konstruktiv und zugleich klar und fordernd an der Krankenhausvergütungsreform des Bundes mitgewirkt.
Reformprozess bisher enttäuschend
Auch hier gilt: Die Reform kann nur im Schulterschluss aller Beteiligten gelingen. Und genau hier sehe ich große Defizite.
Das Krankenhausversorgungs-Verbesserungsgesetz – kurz KHVVG – bietet keine ausreichenden Antworten auf den Reformbedarf und die akuten Probleme der Krankenhäuser.
Entgegen seines klangvollen Titels besteht die Gefahr, dass dieses Gesetz nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer Verschlechterung der Krankenhausversorgung führen wird. Und zwar nicht nur in Bayern.
Die BILD am Sonntag hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach zuletzt auf der Titelseite zitiert mit seinen Worten: „…wir werden ein paar Hundert Krankenhäuser weniger haben. Das ist auch richtig so.“
Ist das wirklich richtig so? Oder werde wir in zehn Jahren zurückblicken und es das Lauterbach‘sche Desaster nennen?
Fakt ist: Der Bundesgesundheitsminister weiß überhaupt nicht, was seine Reform mit den Krankenhäusern machen wird – oder er tut es nach außen nicht kund und peilt über den Daumen mal „ein paar Hundert“ als Schwund an.
Letzte Woche haben die Ampel-Bundestagsabgeordneten einem Reformgesetz zugestimmt, ohne auch nur im Geringsten zu wissen, wie sich die Reform finanziell und tatsächlich auf die Krankenhäuser in ihrem Bundesland auswirken wird.
Wie man einem solchen Blindflug in einer für uns alle strukturell so wichtigen Frage zustimmen kann, ist mir ein völliges Rätsel.
Ebenso, dass zentrale Forderungen – nicht nur Bayerns, sondern aller 16 geeinten Länder – bis zum heutigen Tag nicht aufgegriffen wurden.
Dabei geht es nicht darum, dass Bayern „am Bund vorbei“ alles wie bisher machen darf. Das wäre auch völlig unsinnig, weil die Rahmenbedingungen sich geändert haben. Und sie werden sich weiter ändern.
Umstrukturierungen sind notwendig.
Aber ein hochkomplexes System mit vielfältigen Vorgaben kann nicht funktionieren, wenn es kein ausreichendes Korrektiv zur Vermeidung von Verwerfungen im Einzelfall gibt.
Man kann nicht einfach von Berlin aus ein Schema F über ganz Deutschland legen und darauf hoffen, dass es schon passen wird. Was im Stadtstaat Hamburg vielleicht funktioniert, kann hier bei uns in Niederbayern schon wieder ganz anders aussehen. Wir können uns hier aber kein Prinzip Hoffnung leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Anrufung Vermittlungsausschuss
Deshalb werde ich weiter darum kämpfen, dass die aus bayerischer Sicht zwingend notwendigen Änderungen und Ausnahmen noch den Weg ins Bundesgesetz finden werden.
Das bedeutet, dass wir uns für die Anrufung eines Vermittlungsausschusses im Bundesrat einsetzen werden, um über diesen Weg noch zu Kompromissen mit dem Bund zu kommen.
Vorbereitung für Umsetzung
Selbstverständlich werden wir uns aber auch für den Fall rüsten, dass das Reformgesetz unverändert in Kraft tritt. Unsere Vorbereitungen für eine rechtssichere Umsetzung des Reformpakets sind bereits weit fortgeschritten.
Dazu gehören auch die erforderlichen Verwaltungsstrukturen. So sind wir gerade dabei, am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mit zusätzlichem Personal ein eigenes Sachgebiet aufzubauen, um den immensen bürokratischen Aufwand administrativ bewältigen zu können. Nicht nur in den Kliniken und beim Medizinischen Dienst, sondern auch in den Ländern schlägt die von Bundesminister Lauterbach behauptete „Entbürokratisierung“ durch das KHVVG ins blanke Gegenteil um.
Betriebskostenfinanzierung
Lassen Sie mich noch ein Wort zur Finanzierung der Krankenhäuser sagen:
Wir alle wissen: Derzeit herrscht akute Finanznot bei vielen Kliniken. Die Krankenhausversorgung für die Menschen aufrecht zu erhalten, ist in vielen Regionen mit hohen Defiziten verbunden.
Der Bund lässt die Krankenhäuser mit seinen Vorschlägen zur Krankenhausreform bei der Betriebskostenfinanzierung weiterhin im Regen stehen!
In der Pflicht ist da ganz klar der Bund, weil er dafür verantwortlich ist. Er hätte längst ein Soforthilfeprogramm für die Krankenhäuser vorlegen müssen, um drohende weitere Insolvenzen und einen kalten Strukturwandel zu verhindern.
Daran ändert auch die vom Bund geplante Vorhaltefinanzierung nichts. Denn auch die bringt den Kliniken kein frisches Geld! Sie ist letzten Endes weiterhin fallbezogen und in der Gesamthöhe auf Landesebene gedeckelt.
Das Gesetz zur Krankenhausreform bleibt auch in der finanziellen Frage weit hinter den erforderlichen Zusagen zurück.
Den Wandel aktiv gestalten
Auch wenn der Bund uns nicht ausreichend Handlungsspielräume schafft, bleibt Bayern bestmöglich am Ball.
Was wir tun
Mit unseren 7-Punkten für die Krankenhausplanung unterstützen und begleiten wir die Krankenhausträger dabei, passende Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft zu finden.
Mit dem Sonderförderprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro, der regulären Krankenhaus-Investitionskostenförderung, die wir um fast 25 % angehoben haben und einem weitreichenden Verzicht auf die Rückforderung von ausgereichten Fördergeldern nehmen wir unsere Finanzierungsaufgabe vorbildlich wahr.
Was wir nicht können
Aber zur Wahrheit gehört auch:
- Erstens: Wir können nur dort gestalten, wo der Bund uns Spielräume lässt.
- Zweitens: Selbst die beste Krankenhausplanung kann das Defizit bei den Betriebskosten nicht verhindern. Denn das entsteht durch steigende Kosten einerseits und durch gedeckelte Erlöse andererseits.
- Und Drittens: Der Freistaat Bayern kann nicht Ausfallbürge des Bundes sein und die Betriebskostendefizite der Krankenhäuser übernehmen.
Das werde ich auch den bayerischen Bundestagsabgeordneten erklären, die am vergangenen Donnerstag im Bundestag für das KHVVG gestimmt haben – und jetzt vom Freistaat die Lösung der Probleme für die Kliniken in ihrem Stimmkreis erwarten.
Was wir noch vor uns haben
Der Bund enttäuscht mit seinen Reformbestrebungen aber nicht nur bei der Krankenhausversorgung, sondern in vielerlei Hinsicht.
Hier denke ich etwa direkt an die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenkassen, an die fehlenden notwendigen regionalen Handlungsspielräume bei der Notfallreform und die längst überfällige nachhaltige und generationengerechte Pflegereform.
Wir haben also noch einiges vor uns!
Mit Blick auf die bayerischen Krankenhäuser bin ich aber sehr zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen meistern werden, wenn wir uns konstruktiv über gemeinsame Ziele austauschen, notwendige Gestaltungsspielräume für alle Beteiligten schaffen und jeder im Rahmen seiner Verantwortung das Erforderliche unternimmt – deswegen unser 7-Punkte-Plan!
Ausblick
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist immer einfacher, vom grünen Tisch in Berlin aus Reformen zu diktieren. Machen und Gestalten in der Praxis ist eine andere Hausnummer. Wir stellen uns dieser Herausforderung.
Dass es dabei immer wieder Anpassungen bedarf, ist systemimmanent und wird auch weiterhin erforderlich sein. Der Wandel der Krankenhauslandschaft ist kein Kurzstreckensprint, sondern ein Marathon. Jeder muss seinen Teil der Strecke laufen und braucht einen langen Atem. Aber in der Gruppe, gemeinsam, läuft es sich bis zum Ziel immer besser.
Deshalb kann ich uns alle nur aufrufen, unsere Krankenhausträger in diesen Zeiten gemeinsam zu unterstützen, konstruktiv zu sein und auch vor Ort nicht aus parteitaktischen Gründen die Konfrontation zu suchen – sondern das Allgemeinwohl, die bestmögliche Gesundheitsversorgung für die Menschen in Bayern in den Vordergrund zu stellen.
Lassen Sie uns das gemeinsam tun!
Denn was morgen ist, hängt davon ab, was wir heute tun.
Vielen Dank!
-
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