Bericht aus der Ministerpräsidentenkonferenz vom 25. Oktober 2019:
1. Stärkung des Föderalismus
2. Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030
3. Flächendeckender Ausbau des Mobilfunks
5. Stiftung Auschwitz-Birkenau
1. Stärkung des Föderalismus
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betonen, dass die föderale Ordnung des Grundgesetzes maßgeblich zur Stabilität der Demokratie und zur besseren Teilhabe der Bürger an der Politik beiträgt. Sie verbindet regionale Vielfalt mit nationaler Einheit. Starke Länder sind die Garanten für ein starkes Deutschland. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder halten es daher für notwendig, die im Grundgesetz vorgesehene Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung auf der Basis eines kooperativen Miteinanders mit den Bundesorganen zu stärken, die Kompetenzen der Länder gegenüber den immer wieder auftretenden Bestrebungen nach weiterer Zentralisierung zu schützen, den Grundsatz der Subsidiarität konsequent anzuwenden und eine faire Finanzverteilung zu erreichen, die ihnen die zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben notwendigen eigenen Mittel sichert.
- Der zentrale Ort für die Teilhabe der Länder an der Gesetzgebung und an der politischen Meinungsbildung im Bund ist der Bundesrat. Um seine Rolle im politischen Prozess zu stärken und die Willensbildung der Länder für die Öffentlichkeit in Deutschland stärker wahrnehmbar und zugleich transparenter zu machen, sollte das Verfahren im Bundesrat die geänderten gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen der politischen Debatte in Deutschland aufgreifen und damit zeitgemäßer werden. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder begrüßen es, dass die schleswig-holsteinische Bundesratspräsidentschaft bereits eine Initiative mit dieser Zielsetzung eingeleitet hat, und wollen im Anschluss an diese Initiative gemeinsam innerhalb eines Jahres Eckpunkte für eine weitere Modernisierung des Bundesratsverfahrens beschließen.Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder stellen fest, dass der Bundestag die vom Bundesrat eingebrachten Gesetzesinitiativen in der weit überwiegenden Mehrzahl nicht weiter behandelt, obwohl er gemäß Art. 76 Abs. 3 GG dazu verpflichtet ist, über die Gesetzentwürfe des Bundesrates „in angemessener Frist“ Beschluss zu fassen. Die vom Grundgesetz garantierte Mitwirkung der Länder bei der Bundesgesetzgebung wird dadurch entwertet und in vielen Fällen unmöglich gemacht. Die Regelungsvorschläge der Länder, die nicht zuletzt auf deren unmittelbaren Erfahrungen im Vollzug des Bundesrechts beruhen, finden dadurch keine ausreichende Berücksichtigung.
- Die angemessene Finanzausstattung der Länder ist ein Kernelement des Föderalismus. Der vom Grundgesetz dafür vorgesehene Weg ist der Anspruch der Länder auf einen aufgabengerechten Anteil am Steueraufkommen als eigene Finanzmittel (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG). Dieser Weg wurde in den letzten Jahren jedoch zu selten verfolgt. Stattdessen hat der Bund den Ländern für unbefristete Aufgaben häufig zeitlich befristete Programmtitel gewährt, die mit Steuerungs- und Kontrollrechten zugunsten des Bundes verbunden waren. Dies schwächt das Budget- und Kontrollrecht der Landesparlamente, die Klarheit der Aufgabenverteilung und damit das Prinzip der demokratischen Verantwortlichkeit.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekräftigen den verfassungsrechtlich garantierten Bildungsföderalismus als Fundament für ein leistungs- und zukunftsstarkes Bildungssystem in Deutschland. Im föderalen Handeln können durch konsequente Kooperation passgenaue Antworten auf die bildungspolitischen Herausforderungen entwickelt werden, um dem Anspruch von mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen gerecht zu werden.
- Das Grundgesetz gibt den Ländern Mitwirkungs-, Beteiligungs- und Informationsrechte in Europaangelegenheiten. Diese Rechte müssen von der Bundesregierung konsequenter umgesetzt werden. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind der Auffassung, dass die Ländervertreter rechtzeitiger und umfassender informiert und an der Entscheidungsfindung stärker beteiligt werden müssen.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten die Chefin und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder, eine länderoffene Arbeitsgruppe einzurichten, um in Abstimmung mit dem Ständigen Beirat über mögliche konkrete Maßnahmen und Initiativen der Länder zu beraten, mit denen die vorgenannten Ziele weiterverfolgt werden können. Die Chefin und Chefs der Staats- und Senatskanzleien werden gebeten, bis Frühjahr 2020 über die Ergebnisse dieser Beratungen zu berichten.
2. Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekräftigen ihre Unterstützung für das Bemühen, die Einhaltung der internationalen Klimaschutzziele für Deutschland sicherzustellen. Den Schutz und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu gewährleisten, ist eine der großen Herausforderungen dieser und künftiger Generationen. Die zu ergreifenden Maßnahmen müssen dabei wirtschaftlich nachhaltig und sozial ausgewogen ausgestaltet sein. Für den Erfolg in der Umsetzung bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, aber auch der Wirtschaft und der gesamten Zivilgesellschaft.
- Die Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung führt zu erheblichen finanziellen Belastungen auch von Ländern und Kommunen, die selbst eigene erhebliche Anstrengungen im Klimaschutz unternehmen. Im Gegensatz dazu sollen die für das Klimaschutzprogramm eingepreisten Einnahmen grundsätzlich ausschließlich beim Bund verbleiben. Diese Ungleichgewichtung droht zu erheblichen Verwerfungen des im Grundgesetz angelegten, zwischen Bund, Ländern und Kommunen ausbalancierten Systems der Finanzverfassung zu führen. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder stellen fest, dass es einer angemessenen Lastenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen bedarf, insbesondere im Hinblick auf etwaige weitere Maßnahmen bei der vorgesehenen Wirkungskontrolle. Sie fordern vom Bund mindestens eine vollständige Kompensation der durch die Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht den Ländern und Kommunen entstehenden Mindereinnahmen.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder begrüßen die hierzu angekündigten Gespräche des Bundes mit den Ländern. Sie bitten um zeitnahe Berichterstattung zu Verlauf und Ergebnissen der Gespräche vor der Besprechung der Chefin und Chefs der Staats- und Senatskanzleien am 14. November 2019.
3. Flächendeckender Ausbau des Mobilfunks
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betonen, dass die flächendeckende Versorgung mit Mobilfunk zu den grundlegenden Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft gehört.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs begrüßen daher die beabsichtigte Vorlage einer Mobilfunkstrategie der Bundesregierung auch zur Umsetzung der Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ als ersten Schritt auf dem Weg zu einer mit den Ländern abgestimmten Gesamtstrategie zur flächendeckenden Sicherstellung der Mobilfunkversorgung in Deutschland.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind der Auffassung, dass bis 2025 eine flächendeckende Versorgung mit mobilen Sprach- und Datendiensten in Deutschland anzustreben ist.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind zudem der Auffassung, dass die Durchführung der jüngsten Frequenzversteigerung gezeigt hat, dass die Art der Bereitstellung von Frequenzen einer kritischen Prüfung unterzogen werden sollte. Hauptkritikpunkte waren und sind lange Verfahrensdauern und unnötige Einschränkung der Ausbauinvestitionen der Netzbetreiber durch zu hohe Gebote. Die Länder sind daher der Auffassung, dass der Bund die bisherige Bereitstellungspraxis zusammen mit den Ländern überprüfen sollte.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs bitten die Bundesregierung zu prüfen, ob und auf welche Weise eine Verpflichtung zum regionalen Infrastruktursharing ohne Beeinträchtigung des Wettbewerbs ausgestaltet werden könnte.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sehen darüber hinaus die Notwendigkeit, den bisherigen Mobilfunkausbau massiv zu beschleunigen. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betonen darüber hinaus, dass weitere Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Akzeptanz des Mobilfunkausbaus vor Ort zu steigern, und sehen dies als Aufgabe aller Beteiligten im Schulterschluss, von der Bundesregierung bis hin zu den kommunalen Vertretern vor Ort und den Telekommunikationsunternehmen. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder appellieren an den Bund, Maßnahmen zur Akzeptanzsteigerung schnellstmöglich umzusetzen.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind der Auffassung, dass die bisherigen Anstrengungen des Bundes im Bereich 5G nicht ausreichend sind, um perspektivisch eine breite Versorgung mit 5G in der Fläche zu erreichen. Sie fordern den Bund daher auf, insbesondere die angelaufenen Fördermaßnahmen aufzustocken, etwa die geplante Förderung von 5G-Modellregionen in Deutschland auszuweiten und andere Instrumente zur Beschleunigung des Aufbaus von 5G in Deutschland zu prüfen.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs fordern die Bundesregierung auf sicherzustellen, dass die reservierten Frequenzen zum Betreiben lokaler drahtloser Netze zum Angebot von Telekommunikationsdiensten (sog. Campus-Netze) für Industrie, Mittelstand, Forschungseinrichtungen oder Landwirtschaft zur Ausschöpfung von Innovationspotenzialen schnellstmöglich und zu wirtschaftlich attraktiven Entgelten zur Verfügung gestellt werden. Der Aufbau von Campus-Netzen darf nicht von vornherein durch zu hohe Lizenzgebühren erschwert werden.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vertreten die Auffassung, dass das Schließen von „weißen und grauen Flecken“ im Mobilfunkbereich eine der wichtigsten infrastrukturpolitischen Zielsetzungen darstellt. Die Länder begrüßen daher die Ankündigung des Bundes, die Schließung von Mobilfunklücken in Deutschland durch geeignete Maßnahmen, u.a. durch eine staatliche Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft unter Berücksichtigung beihilferechtlicher und wettbewerblicher Gesichtspunkte prüfen zu wollen. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten den Bund, die weiteren Schritte in enger Abstimmung mit den Ländern anzugehen.
4. Schutz der Synagogen und anderer jüdischer Einrichtungen und stärkere Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind bestürzt über den verabscheuungswürdigen Terrorakt vom 9. Oktober 2019 in Halle, dem Tag des Jom Kippur-Festes, den die jüdischen Gemeinden in Deutschland, in Israel und weltweit als ihren höchsten Feiertag begehen. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder gedenken der Ermordeten, ihre Gedanken sind bei den Verletzten und bei den Angehörigen der Opfer.
- Die antisemitisch und rechtsextremistisch motivierte Tat von Halle ist ein Angriff auf unsere ganze Gesellschaft und auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Antisemitismus darf in unserem Land keinen Raum haben. Die Länder bekräftigen ihr gemeinsames Ziel, jeder Form von Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschlossen entgegenzutreten.
- Jüdisches Leben gehört seit vielen Jahrhunderten und glücklicher Weise auch heute wieder zu Deutschland. Der Schutz jüdischer Gemeinschaft, der Synagogen und anderer jüdischer Einrichtungen gehört zur Staatsräson Deutschlands und aller seiner Länder.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder begrüßen die bisherigen Maßnahmen der Länder zum Schutz von Synagogen und anderer jüdischer Einrichtungen und bitten diese Schutzmaßnahmen fortwährend entsprechend der Gefährdungsbewertung anzupassen. Einige Länder haben bereits finanzielle Mittel bewilligt, um jüdische Einrichtungen in Absprache mit den Sicherheitsbehörden noch besser zu schützen.
- Für ein entschlossenes und hartes Vorgehen gegen antisemitische Bestrebungen ist der Einsatz strafrechtlicher Mittel unabdingbar. Die Strafverfolgungsbehörden sind weiterhin gehalten, dort, wo sich derartige Straftaten zeigen, einen hohen Ermittlungsdruck aufzubauen, schnell und zupackend einzugreifen und die Strafverfahren konsequent und zügig durchzuführen. An deren Ende muss eine dem besonderen Unrechtsgehalt derartiger Taten entsprechende spürbare Sanktionierung stehen. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder halten eine entsprechende Überprüfung der Gesetzeslage auf Ebene der Strafzumessung für erforderlich.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder begrüßen die von den Innenministern und -senatoren von Bund und Ländern am 18. Oktober 2019 vereinbarten Maßnahmen zur verbesserten Bekämpfung des Rechtsextremismus und Antisemitismus und zum Schutz jüdischer Einrichtungen. Sie bitten die Innenministerkonferenz, einen ersten Bericht zum Stand der Umsetzung und zu gegebenenfalls weitergehenden Handlungserfordernissen zur Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 5. Dezember 2019 vorzulegen.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschef der Länder halten darüber hinaus weitere verstetigt und gesetzlich abgesicherte Maßnahmen insbesondere im Bildungsbereich für erforderlich, um antisemitischen Einstellungen zu begegnen. In diesem Zusammenhang nehmen sie Bezug auf ihren Beschluss vom 6. Juni 2019 zur verstärkten Bund-Länder-Zusammenarbeit der Antisemitismusbekämpfung.
5. Stiftung Auschwitz-Birkenau
- Am 27. Januar 2020 jährt sich zum 75. Mal der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekennen sich angesichts dieses Gedenktages zu ihrer Verantwortung, die Gedenkstätte als Symbol für den Holocaust, den beispiellosen Völkermord und den Terror während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft dauerhaft zu erhalten. Sie danken der Stiftung Auschwitz-Birkenau für die seit ihrer Gründung erfolgten Anstrengungen und Leistungen zum Erhalt der Gedenkstätte.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder nehmen den „Globalen Konservierungsplan des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz Birkenau 2019-2043“ (Stand 15. Oktober 2019) und den darin dargestellten Konservierungs- und Sanierungsbedarf zur Kenntnis. Die mit den aufgeführten Maßnahmen verbundenen Kosten verdeutlichen auch mit Blick auf die prognostizierten Einnahmen der Stiftung die Erforderlichkeit eines erneuten finanziellen Engagements.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder begrüßen deshalb die grundsätzliche Bereitschaft des Bundes, die Stiftung Auschwitz-Birkenau im Wege der Zustiftung mit einem Betrag von insgesamt bis zu 30 Mio. Euro in den Jahren 2020 und 2021 zu unterstützen.
- Die Länder erklären sich – vorbehaltlich der Zustimmung der jeweiligen Haushaltsgesetzgeber – bereit, einen insgesamt dem Bundesanteil entsprechenden Betrag bis spätestens Ende des Jahres 2021 aufzubringen und der Stiftung im Wege einer Zustiftung zukommen zu lassen. Sie folgen damit dem bei Gründung der Stiftung tragenden Gedanken der hälftigen Teilung der finanziellen Verantwortung zwischen Bund und Ländern.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten die Bundesregierung, die laufenden Gespräche über einen zusätzlichen Finanzierungsbeitrag vorrangig mit den Staaten fortzusetzen, die sich neben Deutschland bereits im Rahmen der Gründung der Stiftung engagiert hatten und die Länder über den Fortgang dieser Gespräche zu unterrichten.
- Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten Nordrhein-Westfalen zur gemeinsamen Konferenz mit der Bundeskanzlerin am 5. Dezember 2019 einen mit dem Bund abgestimmten Beschlussvorschlag vorzulegen, mit dem auch die Modalitäten des Finanzierungsbeitrags der Länder weiter konkretisiert werden.
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